Seit knapp 4 Jahre schwinge ich nun das Laufbein, seit fast vier Jahren laufe ich Idealen und Zielen hinterher. Setze ich mir keine Ziele, leidet mein Training darunter. Setze ich die Ziele zu niedrig, sind si schnell erreicht und ich habe wieder keins mehr oder, schlimmer, ich stoppe kurz vor dem Ziel, weil es ja schon gleich erreicht ist. Setze ich mir das Ziel in zu weiter Ferne (zeitlich oder quantitativ), werde ich von der Last erdrückt oder, schlimmer, ich lasse es schleifen, weil es ja noch so weit weg ist. Eine sinnvolle Zielsetzung war mir bislang noch nicht vergönnt. Fremdgesetzte Einflüsse von außen versuche ich sowieso zu ignorieren, wobei die Intention nicht in der Abwehr fremder Meinungen liegt, sondern im Wunsch nach Selbstbestimmung. Selbstverständlich wird man den ganzen Tag von vielen Dingen beeinflusst und nimmt an vielen Orten bestimmte Eindrücke mit. Es gibt verschiedene Schlüsselreize, die zu sofortiger Wirkung bei mir führen, die ich aber jetzt hier auch nicht in ganzer Form ausbreiten möchte, die aber aus verschiedenen Bereichen stammen. Farben, Formen, Gefühle, Geschichten. Dabei ist mir wichtig, dass diese Informationen nicht offensiv an mich herangetragen werden (nach dem Motto kauf mich, nimm teil, fahr da hin), sondern eher verdeckt durch die Hintertür. Viel Wert lege ich auf Erfahrungsberichte Anderer, die sich in vergleichbarer Situationen befinden oder ähnliche Ziele Verfolgen. Je mehr Hintergrundinformationen man über den Meinungsäußernden besitzt, desto besser lässt sich seine Aussage einordnen und bewerten. Erfahrungsberichte zu Laufschuhen interessieren mich z.B. nur, wenn der Träger körperlich ähnlich gebaut ist, vergleichbar läuft bzw. trainiert und über auch nicht nur die Herstellerbeschreibung rezitiert.
Auf Events oder Läufe bezogen üben einige aus unterschiedlichen Gründen eine besondere Faszination auf mich aus. Teils, weil “man es mal gemacht haben muss”, teils weil ich sie gern einmal gemacht haben möchte. Es gibt z.B. Orte die mich reizen (Sylt, Schwetzingen, Hockenheimring z.B.), lustige Entfernungen, spaßige Namen, verrückte Ideen. Meist sind es die vermeintlich schwersten Läufe oder Veranstaltungen, an denen ich teilnehmen möchte. Mittelmaß ist für mich meist uninteressant, auch wen es eher meinen Möglichkeiten entsprechen würde(oder noch darunter, wenn ich so auf die letzten Ergebnisse schaue). Mit die zuerst erhaltene Info zum Thema 10km-Lauf war eine Klassifizierung der Läufer nach Zeit. Unter 50 Minuten sollte man kommen, um vom Jogger zum Läufer zu werden, unter 40 Minuten ist dann die ultimative Grenze zum Sportler. Ähnlich gelte es beim Marathon die 4-Stunden-Marke zu unterschreiten, um auf die erbrachte Leistung so richtig stolz sein zu können. So wie die zuerst gehörte Platte einer Band oft subjektiv die beste ist, funktioniert das bei mir auch mit Meinungen und Aussagen. Aus dem Grund versuche ich auch, im Vorfeld die erhaltenen Informationen sinnvoll zu filtern und die bekannt blödsinnigen gleich zu ignorieren.
Ich kann tun, was ich will, die 4-Stunden-Marke des Marathon spukt immer im Hinterkopf, genauso der Ironman. Nach monatelangen Wehwehchen muss nur mal ein Lauf einigermaßen ordentlich gelingen, schon schmiedet mein Kopf die wildesten Phantasien. Auf den letzen Kilometern des Syltlaufs z.B. habe ich gedanklich, da ich ja nun 33,333km schmerzfrei absolviert hatte, direkt das Marathontraining fortgesetzt, natürlich mit höherer Geschwindigkeit und dem dann folgenden Marathon. Achja, und wenn ich den habe, dann kann ich mich ja auch gleich wieder dem Traumziel Ironman widmen, 2013 könnte das dann ja klappen. Aufgebaut auf der Fitness dann vielleicht mal nach Biel oder den Marathon des Sables? Wie war des noch mit einer Alpenüberquerung, kann man den Appalachian Trail vielleicht wirklich durchlaufen, oder mit der Strickleiter auf den Mond kommen…
In der Realität folgte auf den Syltlauf eine einwöchige Laufpause. Die nächsten Läufe danach schrien beide Achillessehnen in den schillernsten Phasen wie schon seit Monaten nicht mehr. Statt fortgesetztem Training waren kurze Läufe mit langen Regenerationspausen angesagt. Als das Laufen wieder einigermaßen ging, gab es keine Basis mehr, auf der man aufbauen konnte. Also wieder von vorn, das passiert also nicht nur in München… Dann der erste Tempolauf, endlich wieder mal ein km unter 5 Minuten, dann ein 3,33km-Lauf in mit 05:05. Während ich so dahinlief, waren meine Gedanken natürlich schon wieder viel weiter… blablabla, Strickleiter zum Mond, die kennt ihr nun ja schon. In der Realität muss ich jedes Intervalltraining oder jeden Tempodauerlauf mit einigen Tagen Unwohlsein (Synonym für diverse Ausprägungen) bezahlen, in denen ich natürlich wieder nicht ordentlich trainieren kann.
Noch nie habe ich hier im Blog die Schmerzen am Ballen des rechten Fusses erwähnt, die ich seit einigen Monaten habe, mal mehr, mal garnicht, mal weniger. Teilweise kann ich am Tag nach einem Lauf nur mit Außenseite des Fußes auftreten. Im Verdacht habe ich einige längere Läufe mit kaum gedämpften Schuhen oder eben Läufe mit plattgelaufener Dämpfung. Als Gegenmaßnahme habe ich mir jetzt ein neues Paar Laufschuhe zugelegt, die sich zwar super am Fuß anfühlen und ein sehr gutes Laufgefühl bieten (wie im Wohnzimmer – Brooks Glycerin 8), aber leider meinen Fuß nicht beeindrucken. Der gleiche Druckschmerz am Ballen. Durch die gute Fersenhaftung des Schuhs hat zudem die Achillessehne wenig Freiraum und bedankt sich mit Wehklagen. Schöner Schuh, weiterhelfen tut er mir aber leider nicht.
Achja. Schuhe, Füße, Strickleiter… So ein Ultralauf, das wäre ja mal was. Meine bisherigen langen Läufe wurden zumeist von meinen Füßen gebremst. Körperliche Kraft und Muskeln standen meist noch zur Verfügung, die Füße wollten aber nicht mehr. Unvergessen die 50km, die ich im Halbfinale des WM-Laufspiels zurückgelegt habe, wenn auch innerhalb von knapp 20 Stunden. Der abschliessende 10er war die reine Hölle, ein pures Dahingequäle. Ähnliche Erfahrungen habe ich schon immer an diversen Veranstaltungen gemacht, nach einigen Stunden(2-3) kann ich kaum noch stehen. Das war leider schon immer so, ob jung oder alt, dick oder nicht ganz so dick. Bei diversen Wanderungen war bislang jeweils bei ca. 20km Schluß mit lustig, und das auch nur 3 Tage am Stück. Zunächst habe ich das Wanderproblem auf Schuhe und Klima geschoben, aber nach jahrelangen Tests mit verschiedenen Schuhen, Socken und auch Klimazonen haben meine Füße sich fast unverändert verhalten. Nach 20km beginnt das Wehklagen, nach 3 Tagen muss ein Ruhetag her. Im April war ich 84km unterwegs, mit neuen Schuhen, guten Socken und bei trockenen Konditionen. Nach Rückkehr waren meine Füße trotzdem geschwollen und druckempfindlich, ganz glatt und glänzend durch die Oberflächenspannung. Da hilft wohl nur ein Schulterzucken und die Einsicht: Ist wohl so, leb damit. Leider bombardiert dieser Zustand meine Weitwanderpläne, ich kann und will mich als vermeintlich schwächstes Glied keiner Gruppe anschliessen, Solotouren sind je nach Ziel nicht ganz ungefährlich, zudem muss man die ganze Ausrüstung selbst schlörren. Statt von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang unterwegs sein zu können, muss ich schon eher die Segel streichen oder pausiere mehr als ich laufe.
Durch den fehlenden Rucksack komme ich zwar beim Laufen einige km weiter, aber auch nicht viel. Richtig locken würde mich das Erlaufen z.B. vom WestHighlandWay oder auch von diversen Wegen in Deutschland (Malerweg, Rheinsteig oder so), aber mit den Bergen und den bislang begrenzten Laufmöglichkeiten macht das leider wenig Sinn. Nach 4-5 Stunden wäre ich spätestens “durch” und es wäre noch so viel Tag übrig…
Der Marathon eines Ironmans muss natürlich auch durchgelaufen werden, sonst dürfte ich mich nicht mit Stolz Ironman nennen. Riesefreude ja, Ironman nein.
Der Rennsteig oder ein richtiger Berglauf klingt zwar auch interessant und verlockend, aber mit den Bergen werde ich nicht richtig warm. Spaß ist anders. Ich bin schon mehrfach den Turmberg hier in Karlsruhe hochgelaufen, ca 120HM auf 1,5km, und fand das immer recht witzlos. Sobald es etwas steiler wurde, ist das Vorwärtskommen doch sehr erschwert und hat in meinen Augen (bzw. Leistungsfähigkeit) nur noch wenig mit Laufen zu tun. An diesen 2 Stellen(ca. 14%) hatte ich echt das Gefühl, gehend nicht wirklich langsamer zu sein. Die Aussicht ist dann zwar toll, aber mit Puls 185 verschwindet sowieso alles hinter einer roten Nebelwand. Wenn mal eine kleine Steigung in einem Lauf ist, bitte, aber wie auf dem Rennsteig 20km am Stück hochrennen? Der Turmberg ist immerhin nur ca 1,5km lang und der Spuk ist schnell vorbei. Oder der K78 in Davos. Hoch, hoch, hoch. Undenkbar. Es geht bei diesen Läufen nicht immer nur ziemlich weit, sondern auch andauernd hoch, natürlich bei einem Steig oder einem Berglauf wenig verwunderlich. Dann kam aber für mich der persönliche Abschuß. Ich habe bewegte Bilder gesehen und Reportagen gelesen! Es sind nur die stärksten Läufer im Feld, die die Anstiege auch komplett laufen, der Großteil der Starter marschiert strammen Schrittes hinauf. Bei einem Lauf!  Ziel verfehlt in meinen Augen, da bin ich Hardliner. Bei allen offiziellen Veranstaltungen halte ich mich z.B. strikt an die Wegmarkierung, um auch nicht einen Meter zu wenig zu laufen, immerhin will ich meine Zeit für 10km am Ende stehen haben und nicht für 9,89km. Beim Syltlauf bin ich mit einer Läuferin zusammengestossen, die rechts neben mir lief und, wie alle vor uns, in einer Linkskurve abkürzen wollte. Plötzlich war ich 20 Meter hinter der Gruppe und konnte erst durch einen Zwischenspurt mit Hass und Wut im Bauch vorbeiziehen, nicht umsonst ging es hier früher um Laufrage und Negativmotivation. Ich möchte keinesfalls irgendwem auf den Schlips treten oder, noch weniger, die Leistung von irgendwem schmälern. Die erbrachte Leistung bei einem Ultralauf ist riesengroß, egal wie und auf welchem Wege sie erbracht wird. Nur frage ich mich halt, wie man “Hauptsache angekommen und durchgehalten” einordnen soll, wenn z.B. die letzten 20km eines 100er gegangen werden? Sicher hat man 100km zurückgelegt, aber welchen Wert haben die letzten km noch? Man muss natürlich die Gründe für den Walkerabschnitt beleuchten, die wahrscheinlich bei jedem Starter anders sind. Ist jemand z.B. schnell angegangen, um eine bestimmte Zeit zu erreichen, oder hat einfach zu wenig trainiert oder es ist zu heiss oder oder oder. Man kann es trotzdem drehen wie man will, durchgelaufen war das nicht. Falls ich jemals an einer solchen Veranstaltung teilnehmen sollte, wäre ich nur durchgelaufen so richtig zufrieden. Eigentlich bin ich sogar gegen jegliche Verpflegung auf der Laufstrecke, aber irgendwann hat dann die Vernunft und der Wunsch nach längeren Läufen auch im Sommer gewonnen. Auch Laufbegleitungen, Zugläufer und ähnliche Hilfsmittel sind für mich kritisch, andererseits ist der Unterschied zwischen einer Marschtabelle auf dem Unterarm kontrolliert mittels Stoppuhr auch kaum anders, als dem Mann mit 4-Stunden-Luftballon hinterherzurennen.
Und das DNF? Ein schwieriges Thema. Ist mir beim StrongmanRun 2010(da darf man gehen – Hindernislauf) passiert. Auf den rechten Arm gefallen (irgendein Sehnenknotenpunkt, der zum Heben des Armes zuständig ist) und Beeinträchtigung bei jedem Schritt. Nur mit größten Schwierigkeiten konnte ich fast-einarmig das Spinnennetz überwinden (zieh dich mal hoch, wenn du als Rechtshänder nur den linken Arm nutzen kannst und der rechte mit Mühe und Not stützen/halten kann), dann folgte aber das Schwimmhindernis. Ich gestehe jedem das Recht und auch die freie Entscheidung für die Pussylane zu, für mich ist sie jedoch keine Alternative. Aber sollte ich nun einarmig Brust schwimmen, in eiskaltem Wasser? Und das rauskrabbeln auf allen vieren (dreien!), wie das? Im Internet wurden zudem wahre Hassgebilde gegen Nichtschwimmer aufgebaut, die ich zwar nicht wie erwähnt unterstütze, deren Ziel ich aber auch nicht sein wollte. Jetzt könnte man einwerfen, was mich die 20 Leute, die mich beim Nutzen der Pussylane gesehen hätten, interessieren sollten, aber ich kann mich leider nicht davon freisprechen. “weisst du, ich habe nen wehen Arm und konnte nicht schwimmen, sonst wäre ich natürlich…”. Sicher hätte ich den Lauf zu Ende gehen können, Laufen war durch den stechenden Schmerz auch in den Wochen darauf kaum möglich, Krafttrainig (alles mit Arme dabei) über ein halbes Jahr nicht. Also hätte ich die letzten 4-5km wohl gehen müssen. Wofür? Für eine Strecke, die ich in Normalzustand draufhabe? Für Hindernisse, die bereits in der ersten Runde bewältigt wurden? Leider hat mich im Nachgang keiner offen kritisiert, sondern es kam höchstens Aufgeben erfordert auch Stärke oder so. Kann ernstgmeint sein, muss aber nicht. Genau hier wären mir dann Ratschläge, was ich hätte tun sollen lieber gewesen. Wie mans macht…
Jeder Bericht, der das “Hauptsache Ziel” propagiert, gibt mir in Bezug auf mein DNF einen Stich. War meine Wahl richtig? Hätte ich durchziehen sollen, auch gegen meine Prinzipien? Halten mich alle für einen Schwächling? Bin ich es etwa?
Ich will, ich will nicht, ich kann, ich kann nicht, ich möchte, ich möchte nicht, man darf, man darf nicht, ich darf, ich darf nicht. Könnte, hätte, wenn, tätärä.
Du kannst alles, was du willst, du musst es nur tun. So lautet der offene oder verborgene Subtext vieler Berichte. Dazu von mir ein recht bestimmtes Nein, so einfach ist das nicht. Auch hierzu könnte ich jetzt absätzeweise etwas dazu schreiben, kurz zusammengefasst halte ich diese Sichtweise aber für sehr gefährlich, außerdem sollte die Aussage noch um Worte wie “irgendwie”, “Zeitaufwand”, “Talent” u.ä. ergänzt werden. Meinen vollsten Respekt, Neid und Bewunderung für Menschen, die nach 2,3 Jahren Laufen 4-fach-Ironmans oder 24-Stunden-Läufe absolvieren können, als direktes Vorbild taugen sie in meinen Augen allerdings nicht, eher als Verführer oder Überlastungstreiber (seht her wie leicht das alles ist – kaum trainiert, trotzdem akzeptable Zeit, länger, weiter, Hauptsache gefinished). Manchmal fühle ich mich dann auf den Pausenhof der Schulzeit zurückversetzt. Gesprächsfetzen vor und nach der Klausurrückgabe: Oh ich habe garnicht gelernt, lief das schlecht, ich armer, ich hab bestimmt ne 5, ich hätte mehr lernen sollen, ich bleibe bestimmt sitzen, ich armer, ach du auch, lief auch nicht gut, auch schlechtes Gefühl, juhu, ich hab eine zwei, wie konnte das sein, ich konnte doch nichts, ist das toll, und du, vier minus, warum denn, war doch garnicht so schwer…
Zerrissenheit pur, Ambivalenz, Unlogik, zwischen Idealen und Prinzipien hinundhergerissen. Ein kurzer, kleiner Einblick…