Jetzt bin ich mittlerweile schon länger wieder zurück. als ich überhaupt in Schottland unterwegs war. Mir gibt der Abstand eine etwas andere, weniger von Emotionen geprägte Sicht, dem Leser wird bestimmt ein vielleicht unnötig langer Bericht erspart.

Tag 1: Nach viel Irrungen und Wirrungen habe ich mich für die Anreise mit Bus und Bahn entschieden. Netterweise wurde ich von meiner Freundin zum Bahnhof gefahren, an dem schon der Zug nach Mannheim wartete. Während ich dann seelenruhig durch den Bahnhof schlenderte, ein sicheres Zeitpolster vermutend, fuhr die S-Bahn nach Ludwigshafen bereits ab. Glücklicherweise fährt von Mannheim aus fast jede S-Bahn zu diesem Zwischenhalt, so dass ich schon 3 Minuten später die Reise fortsetzen konnte. In Ludwigshafen musste ich zum Glück nur auf die andere Gleisseite und konnte in den Zug nach Mainz steigen. Eine Stunde später stand ich dann in einer langen Schlange, um in den Hahn-Express steigen zu können. Am Flughafen ging es dann in ein Flugzeug. Eigentlich fehlten jetzt nur noch Pferd, Fahrrad und Schiff und ich hätte alle modernen Fortbewegungsmittel durch gehabt. In Schottland gab es dann eine Busstaffette: der Flughafenbus liess mich meinen fix gebuchten Überlandbus nach Glasgow verpassen, aber der gewohnt nette Busfahrer hat das Tickt im Folgebus trotzdem akzeptiert. Unfassbar, wie lange man in der Buchanan Bus Station nach dem richtigem Abfahrtsot suchen kann… irgendwann war ich aber im richtigen Bus und dann auch ca 45 Minuten später in Milngavie, dem Startort des West Highland Ways. Der Busfahrer hatte mir beim Einstieg 30 Minuten angekündigt. Haltestellen werden nicht angezeigt oder angesagt, ohne Zeitangabe ist das Finden des richtigen Ausstiegs schwer. Mit falscher Fahrtzeitangabe allerdings auch.

Milngavie ist ein mittelgroßer Ort mit einer kleinen Fussgängerzone am Nordrand von Glasgow. Nachdem ich mich in zwei Supermärkten mit Getränken und einem Abendessen eingedeckt hatte, musste ich nur noch ein Photo vom Startobelisk schiessen und der Weg konnte beginnen. Doch was macht der Photoapparat? Sagt, es wären nur noch 15 Bilder möglich. Die Speicherkarte. Daheim. Im Notebook! Aargh! Kurz vor 5, wann schliessen die Geschäfte? Schnell. Wo? In einem Zeitschriftenladen wurde ich dann zu einem Tesco geschickt, der etwas versteckt, aber glücklicherweise sehr nah war. Seelig fand ich dann die gewünschte Speicherkarte zum beruhigenden Preis von 11 Pfund für 4GB. Nicht auszudenken, wenn ich das erste Bild zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen hätte. Einen Beruhigungskaffee später konte ich dann endlich den Weg beginnen.

Direkt ging es aus dem Ort entlang eines Flusses heraus in ein Waldgebiet. Überall waren noch deutlich die Spuren der Stürme der Vorwoche zu sehen. Umgeknickte Bäume und herumliegende Zweige und Äste. Am Ende des Waldgebietes lag das erste Loch, ursprünglich der geplante Übernachtungsort, der dann aber nicht besonders hübsch oder einladend war. Das Tageslicht wurde zunehmend schwächer, also lag der Fokus nun auf Zeltplatzsuche. Knappe 2km später gab es eine kleine von Steinmauern umfasste Wiese, die zudem noch von einem Hügel geschützt wurde. Nach knapp 11 Stunden Anreise war ich dann auch entsprechend erledigt und legte mich schnell zur Ruhe. Als Bettlektüre diente mir ein Buch von Anne Rice – Angel Time. Englische Bücher haben sich bei mir durch eine längere Lesedauer im Vergleich zu deutschsprachigen bewährt. Zudem saugen die Blätter gut Feuchtigkeit auf und eignen sich so allabendlich als Füllmaterial für die Schuhe.

Mitten in der Nacht musste ich mehrmals Vorkehrungen gegen die Kälte treffen, um nicht allzu sehr frieren zu müssen. Ich hatte lediglich einen dünnen Sommerschlafsack dabei, der aber noch etwas textile Unterstützung nötig hatte. Der Tag war sonnig und wolkenlos gewesen, die Nacht sternklar – ein Garant für knackige Kälte und gleichzeitig die kühlste Nacht der kompletten Reise. Knappe 10 Stunden später lachte mir erneut die Sonne ins Gesicht, leider aber zu schwach um das Zelt zu trocknen. Mittelprächtig hübsch ging es dann über breite Wege, Forststrassen und sogar etwas Asphalt zum ersten Etappenziel nach xxx. Es war erst kurz nach Mittag, die Beine fühlten sich frisch, also ging es weiter direkt auf die zweite Etappe. Etwas Puffer kann ja nie schaden, der musste sich allerdings hart verdient werden. Nach einem kurzen Waldstück ging es die ersten Meter richtig bergauf.

Auf einer Lichtung habe ich dann meine erste Pause eingelegt und einen Müsliriegel zu mir genommen. Während meines Aufbruchs traf ich drei Engländer, mit denen ich dann einige Kilometer zusammen zurückgelegt habe, bis mir das Tempo am folgenden Berg zu hoch wurde. Auch die mehrfach herumliegenden Whiskyfudges, die die Engländer bei einer Destillerybesichtigung gekauft hatten und für die Nachhut zurückgelassen hatten, konnten mich nicht zu einer höheren Geschwindigkeit führen. Der Aufstieg führte wie üblich an einem temporären Bachlauf entlang den Hügel hinauf. Der Untergrund war feucht und matschig, die Felsbrocken groß und die Neigung steil. Und es ging immer weiter. Und noch ein Stück. Und noch um eine Ecke rum. Zur Belohnung wartete auf der Kuppe ein grandioser Ausblick auf das Loch Lomond und eine Herde Highland Cattles. Durch Geschichten über Wildschweine und Elche vorgewarnt umkurvte ich die Tiere mit ausreichendem Abstand, der rückblickend durch die Friedfertigkeit der Rinder nicht nötig gewesen wäre.

Vorsichtigen Schrittes und geschafft vom Aufstieg tastete ich mich über rutschiges Gras die 250HM wieder hinab. Kurz vor Erreichen der Erdoberfläche hing ein Schild an einem Gatter: Zelten verboten auf den nächsten 20km. Informationen, die man eine Stunde vor Verlischen des Tageslichts nicht lesen möchte. Statt an dieser Stelle mein verdientes Nachlager aufstellen zu können, musste ich mich noch 5 weitere Kilometer bis zum nächsten Campingplatz schleppen, denn die Strafandrohung von 500 Pfund klang doch sehr ungemütlich. Immerhin kam ich so zu einer Dusche und einem Stuhl beim Abendessen. Die Engländer, die ich dort wiedertraf, liessen nachts ihre Sachen in der Küche – im Nachhinein keine schlechte Idee und später oft kopiert.