…doch blöderweise war es meiner Aufmerksamkeit entgangen, dass es noch einen grauen Weg gab.

so endete Teil i der Irlandgeschichte. So beginnt auch jetzt der zweite. Die ersten Meter ging es etwas im Wald umher. Mal nach rechts, mal nach links. Dann gab es eine Abzweigung, die fast senkrecht in einem schwarzen Loch verschwand. Es ging über hunderte von mit Maschendraht bespannten Holzbohlen hinauf. Durch den andauernden Regen war es eine recht rutschige Angelegenheit. Nach endlosen Minuten trat ich aus den Bäumen wieder in offenes Land und wurde durch eine grandiose Aussicht belohnt. Noch wenige Meter und die höchste Stelle war erreicht. Pustekuchen, danach wartete der nächste Anstieg, danach der nächste Hügel. Da der Weg weiterhin über Holzbohlen führte, war er weithin sichtbar. Und noch ein Hügel, und noch einer. So langsam wurde mir auch klar, dass ich nicht auf dem geplanten Weg sein konnte. Nur zurück, das wollte ich nicht. Zurück ist generell keine Option für mich, da müsste es schon ganz dicke kommen. Im Nachhinein wäre es wohl gerechtfertigt gewesen… so aber war die Möglichkeit, die rutschigen Stufen bei noch weniger Licht wieder hinabzusteigen, keine. Dann kam eine Abzweigung. Ein Weg führte witer geradeaus, einer links hinab in den Wald. Ich entschied mich, der Route entlang des Kamms am See zu folgen. Immerhin blieb mir so die 13km Tour erspart, ob ich trotzdem ev schneller angekommen wäre, ist schwer zu sagen. Oben auf dem Kamm wehte weiterhin ein sehr scharfer Wind, eine Boe erwischte mich sogar so hart, dass ich einen Ausfallschritt von der Bohle in das seitliche Gras machen musste, nicht weit von der Kante entfernt. Immerhin war mittlerweile der höchste Punkt erreicht und der Weg führte wieder abwärts. Erst über weitere Treppen, dann über eine Mischung aus Geröll und Kiesweg. Der See zu meiner Seite war auch fast zuende, jeden Meter musste es dann doch auf die andere Seite über die angekündigte Brücke gehen. Aber der Weg führte immer weiter in die Ferne, ohne dass ein Übergang in Sicht kam. Eine Pause wollte ich mir trotz Müdigkeit nicht gönnen, solange noch Reste von Tageslicht vorhanden waren. Irgendwann kam dann doch eine kleine Brücke und der Rückweg konnte beginnen. Mittlerweile musste ich meine Augen schon anstrengen, um noch gut sehen zu können. Der See und der vermeintlich sichere Weg lag noch in einiger Entfernung. Jetzt führte der Pfad teils über einen steilen Schotterweg, teils über rohe Findlinge oder durch andere Riesensteine hindurch. Auf den Steinen waren Pfeile aufgemalt, damit man sich nicht verirrt. An einigen Stellen mussten auch die Hände zu Hilfe genommen werden. Bloss keine Pause, nutzt das Licht! Weiter! Weit ist es nicht mehr! Du hast ein Telefon bei dir! Und die Nummer von Mountainwatch. Sieh, in der Ferne ist Licht zu sehen. Also könntest du zur Not Blinkzeichen geben. Alles gut. Nur vorsichtig! Nicht ins Wasser fallen. Dieses sonst vermutlich eher kleine Rinnsal ist durch die starken Regenfälle zu einem reißenden Bach verkommen. Wenn du da reinrutschst und mit dem Kopf aufschlägst, war es das. Vooorsicht. Wieder ein Kiesweg, wieder steil, Zweimal gerutscht. Langsam. Aber beeil dich, das Licht ist fast weg. Häuser. Links. Ohne Dach. Ruinen. Klatschnass. Kalt. Das Miners Village. Gibt es etwas mit Unterstand? Wo kann ich mich verkriechen und auf das nächste Licht warten? Wo ist der Weg? Wasser. Überall Wasser. Durch die Ebenerdigkeit ist der See am Rand über die Ufer getreten. Wo ist es flach, wo beginnt der See. War hier der Weg, oder habe ich den letzten Pfeil übersehen. Dunkelheit. Ich sehe nichts mehr. Schemen. Schatten. Was soll ich tun. Wohin? Woher? Ich habe ja noch ein Telefon. Wieviel Uhr ist es überhaupt? Wasser. überall Wasser. Telefon tropft. Aus. Nass. Tot. Stirnlampe. Aufsetzen. Leuchten. Da. Reflektion. Ein Schild. 100m entfernt. Danach Wald. Das muss der Weg sein. Was sonst? Aber wie komme ich dorthin. Wie tief ist das Wasser? Und wo der Weg? Vorsichtig bin ich so in eins der Häuser rein. Überall Wasser auf dem Boden, knöcheltief. Durch eine der Fenster wieder hinaus und zum nächsten waten. Ich erinnerte mich an Sherlock Holmes und Dartmoor. Immer auf die Büschel treten, dann da ist fester Grund. Zwischendurch war das Wasser fast knietief. Weiter. Zum nächsten Haus, Hauptsache mit einiger Entfernung vom vermeintlichen See. Dann waren es nur noch wenige Meter. Offenes Wasser, aber nur wenige Zentimeter tief. Das Schild. Car Park 3km. Old Miners Road. Das hatte ich mir gemerkt. Easy Roadwalk. Juchee. Der Weg war zwar mehr Pfütze als alles andere, aber bei meinem Feuchtigkeitzustand war das völlig egal. Schwippschwapp. Plätscher, aber mit einem Grinsen im Gesicht. Ich war wieder in Sicherheit. Dann endlich der Carpark. Hunderte von Metern groß. Leer. Wo parkt nur mein Fahrrad? Wieder eine Reflektion in der Ferne. Da ist es. Schlüssel gesucht. Finger komplett gefühllos. Kaum ins Schloss bekommen. Spüre keinen Widerstand beim greifen, drehen unmöglich. Genervt, Ärger, Mach schon. Kalt. Heim. 2, 3 Minuten hat es bestimmt gedauert, bis es endlich geklickt hat. Zu schlapp zum radfahren, zu rutschig, also ging es die letzten 2km zu Fuß. Zurück in der Jugendherberge drängte sich dann die Frage auf, was ich nur am nächsten Tag tragen sollte. Alles, was ich am Körper trug, war völlig durchnässt. Das was ich am Körper trug, war alles, was ich hatte. Neben einem Tshirt, das ebenfalls nass war. Die Zweithose lag vergessen daheim. Aber in der JH gab es einen Trockner, der auch nur zarte FÜNF Euro von mir wollte. Alles bis auf die Unterhose wanderte dann in den Trockner und ich fast nackt in der Jugendherberge umher. In der Küche traf ich dann auf einige junge Leute, die mich freundlich auslachten und mich fragten, ob ich der crazy german cyclist wäre, der im Winter und bei strömenden Regen und Sturm durch die Wicklow Mountains fährt. Weil ich doch recht erbärmlich ausgesehen habe, haben sie ihren Whisky mit mir geteilt. Schön heiss gemacht war das eine pure Wohltat, keine Chance für eine Erkältung. Dann gab es einen netten Abendausklang mit gemeinsamem Filmschauen.

Am Folgetag dann nur noch der Rückweg nach Dublin. Alles, was auf dem Hinweg stetig bergan ging, hat sich an fast nur einem Berg, dem Sugarloaf entladen. Dann ging es endlich wieder, begleitet von spordischen Regenfällen, hinauf. Zurück im Hostel traf ich wieder den Spanier vom ersten Tag. Was hast du in den letzten beiden Tagen so gemacht – fragte ich ihn? Och, lang geschlafen, bißchen shoppen, lang geschlafen, bißchen shoppen… what a difference a day (or two) makes.

Bei der Radrückgabe erwähnte der Kassierknecht die Schönheit genau dieser Wanderung und ihre Gefährlichkeit gerade bei schlechtem Wetter. Einige schwere Unfälle hat es dort wohl schon gegeben, mich hat es zum Glück verschont.

Der Wendepunkt der Strecke heisst Van Diemens Land. Seitdem mag ich den Song von U2 (<– anhören!) noch viel lieber, unäbhängig davon, ob nun Tasmanien oder eben dieser Fleck gemeint ist.