Es war im August des Jahres 2003. Formel 1- Wochenende. 35°C, 45°C Asphalttemperatur. Ich bin regelgerecht zerflossen. 3 Tage Leiden, 3 Tage Hitze.

Jahre später waren die Vorzeichen andere. Der Hockenheimringlauf stand auf dem Programm. 2 Runden über die Rennstrecke. 10km Asphalt und Kurven. Der Termin des 01.11. versprach andere klimatische Bedingungen. Zunächst sah es für eine Teilnahme nicht gut aus. Party am Vorabend, andauerndes Fußwehwehchen. Doch dann wurde die Party abgesagt und ich war beruflich so eingespannt, dass ich ausgedehntes superkompensierendes Tapering betrieben habe. Eine Woche Nichtstun, von einer ca 50km-Radtour in die nördlichen Schwarzwaldausläufer mal abgesehen. Dafür habe ich ausuferndes Lipidloading betrieben. Schnitzel, Bratkartoffeln, Currywurst. Zeitknappheit ist ein schlechter Koch.

Die Startzeit war mit 10:20 recht human, so konnte ich entspannt um 07:30 aufstehen, um den Zug um 08:25 besteigen zu können. Wie wünscht man sich jetzt wieder ein eigenes Auto. Immerhin konnte ich mein Rad kostenfrei mitführen, sind es doch bestimmt 3-4km vom Hauptbahnhof bis zur Rennstrecke. Und das in beide Richtungen. Vor Ort war es mir, neben der klirrenden Kälte, erstmal viel zu wuselig. Eine Atmosphäre wie beim Schlussverkauf. Mit meiner Startnummer ausgerüstet konnte ich mich der Menge dann wieder entziehen, um den 5km-Einlauf zu betrachten. Sehr viele Schüler haben daran teilgenommen. Verblüffend, wie die reihenweise knapp über 20min ins Ziel gekommen sind. Bei den kurzen Beinen. In der Boxengasse war dann ein kleiner Markt aufgebaut, der zwar der Aufwärmung diente, aber wieder mit der gleichen Wuseligkeit an meinen Nerven zerrte. Die Umkleidemöglichkeit erwies sich als zugiger Abschnitt ohne Sitz-, Dusch- oder Versteckmöglichkeit, dafür offen von 3 Seiten einzusehen. Beim nächsten Mal ziehe ich sofort meine Laufunterhose an. Einige Minuten, während ich leicht fröstelnd wartend herumstand, habe ich mehrfach gedanklich mein Outfit geändert. Kurz mit Jacke. Lang ohne Jacke, Lang mit Jacke. Am Ende habe ich mich für kurz ohne Jacke entschieden und habe die 90% der anderen Läufer ignoriert, die auch zum Rodeln hätten gehen können. Knapp 10 Minuten vor dem Start habe ich mich dann an die frische Luft getraut. So kalt war es plötzlich garnichtmehr, ich stand wohl wirklich nur in einer sehr windigen Ecke. Bis Sekunden vor dem Start bin ich auf und ab getrabt, um dann ganz außen in der Pole Position zu starten. Die schnellen Läufer standen alle auf der Innenseite, so dass ich keinem groß im Weg stand. Nach den ersten 100m habe ich dann etwas eingebremst, um kein überflüssiges Laktat zu produzieren. Die ersten 5km wollte ich moderat angehen, um dann, falls möglich, dass Tempo zu erhöhen. Trotzdem stellte ich nach 3km fest, dass ich ein Tempo von 05:03 pro km gelaufen war. Richtig toll fühlte ich mich nicht, die Bestzeit war nicht in greifbarer Nähe. Doch dann geschah das Unfassbare. Die Sonne war da! Was sollte das? Wir haben November! Geh weg, Du olles Ding! Spätestens jetzt war ich dankbar, dass ich keine wärmende Kleidung trug und nicht vor Schweiss zerfliessen musste. Ich armer Tropf, wann oder wo soll ich denn noch laufen, um einen Wettkampf unter für mich klimatisch angenehmen Bedingungen absolvieren zu können? Nach der ersten Spitzkehre bündelte ich das in der Kurve herausgenommene Tempo zu einem kleinen Zwischenspurt und überholte ein paar der dauerhaft vor mir laufenden Menschen, um dann wieder dienstbeflissen das befohlene Tempo aufzunehmen. Direkt nach der Ziellinie wurde dann ein Gang höher geschaltet. Um schonmal vorzugreifen: der negative Split gelang. Ab dem Augenblick habe ich nur noch überholt, mit Ausnahme des Jungspunds, der meine Serie 500m vor dem Ziel zerriss. Auf den letzten Metern bin ich dann wieder bis auf gleiche Höhe aufgelaufen, kam mir dann aber doch zu doof vor und liess ihn vor mir durchs Ziel. Natürlich habe ich wieder beim Zieldurchlauf den Druck des Stoppknopfs vergessen, so dass ich wie üblich keine genaue Zeit habe(ca 49:30). Die Bestzeit war nicht weit entfernt und mit schnelleren ersten 5 möglich gewesen. Das Überholen auf der zweiten Runde war nicht schlecht, die Zweifel über verschenkte Zeit hängen jedoch nach. Summa summarum ein angenehmer Vormittag mit einem sehr versöhnlichen Ausgang. Und der Gewissheit, dass ich meinen ersten negativen Split ausserhalb von McDonaldsschlangen geschafft habe.

Bleibt noch zu erwähnen, dass ich auf der zweiten Runde manchmal Bögen laufen musste, um den Rotzflecken auf dem Boden zu entgehen. Hunderte! Man muss sich wirklich wundern, waren doch fast durchweg erwachsene Menschen am Start. Widerlich! Pfui! Keine Kinderstube.

Run, don`t spit