Back to the roots, allerdings nicht ganz freiwillig. Wenn ich nochmal den Versuch eines kompletten Ironmans wagen möchte, sollte ich vielleicht auch kraulen können, dachte ich mir. Dann gab es eine Werbung zu Schwimmkursen für Erwachsene, Kraulen für Anfänger, 5 Termine in einem nahegelegen Schwimbad, 45 Euro – geht noch. Geben wir der Sache noch eine Chance!

Der Kurs ist ausgebucht, aber vier Tage vor dem ersten Termin erreicht mich die Absage eines Teilnehmers. Leider verpasse ich durch die kurzfristige Zusage den ersten Termin, aber was soll’s, besser als wieder auf den nächsten Kurs im Winter zu warten. Immerhin denke ich an den ersten Termin, während ich noch im Hotelbett herumfläze, aber noch habe ich zwei Tage Schonfrist.

Einwurf

Ich schreibe lieber nicht, wo ich den Kurs absolviere, damit sich niemand wiedererkennt, wenn ich möglichweise etwas überspitzt formuliere und berichte, Ich möchte unterhalten, dazu gehört manchmal etwas künstlerische Freiheit. Nicht alle Berichte und Geschichten haben sich immer zu 100% so zugetragen, allerdings auch nie unter 98%. Das heißt nun nicht, dass sie erfunden sind, aber an mancher Ecke gibt es leichte Abrundungen oder Anspitzungen. Manchmal stimmen auch alle Fakten, nur haben sich diese nicht unbedingt zur gleichen Zeit zugetragen, sondern wurden aus mehreren Erlebnissen zusammengepuzzelt.

1 Uhr, Schnarchgeräusch. 7 Uhr. Brumm, brumm, brumm. Oje. Kaffeemaschine an, Klodeckel auf, die Routine sitzt. Die Spiele auf dem Smartphone bleiben tabu, ich muss ja los. Dank meiner neuen, elektrischen Mühle geht das jetzt auch sehr fix. Meine Tasche hatte ich schon am Vorabend gepackt, achja eine Badekappe, eine müsste doch eigentlich… ja, da ist s… äääääääh. Besonders langlebig sind die wohl nicht? Nach ca. 2 oder mehr Jahren der Nichtnutzung gibt es mehr Materialschäden als heiles Gewebe. Vielleicht auch besser, als mit einem Aufdruck der Challenge Kraichgau zum Anfängerkurs zu gehen “Hast du die deinem großen Bruder geklaut?”

Während ich dem Schwimmbad entgegengondele, fällt mir meine Fehlplanung auf. 8 Uhr meint vermutlich nicht, mit quietschenden Reifen vorm Eingang zu halten, sondern man erwartet mich umgezogen am Beckenrand. Verdammt. Vielleicht auch Dank der Ferien sind die Straßen aber leer, so dass ich bereits um 7:49 an der Kasse stehe und ohne zusätzlichen Eintritt passieren darf. Der Kassierer zeigt sogar noch auf meinen Trainier, damit konnte nichts mehr schiefgehen. Bei einer Außentemperatur von vielleicht 12 Grad hätte ich mich auch ungern länger draußen neben dem Becken aufgehalten.

Wir müssen sofort ins Wasser und sollen zwei Bahnen mit zwei unterschiedlichen Stilen schwimmen. Sinnvollerweise wähle ich am der zweiten Bahn Kraul, um mich etwas zu gewöhnen. Danach bekommen wir Bretter und sollen eine Bahn nur Kraulbeine machen, ohne weitere Beschreibung. Ab hier begann der Spaß. Niemand will, dann traut sich die hübsche Blonde aber doch. Die Blicke kommen zu mir, aber ich kann immerhin noch eine Person motivieren, vor mir zu starten. Dann muss ich. Ich stosse mich ab, gleite etwas, bewege meine Beine und komme so langsam Richtung Stillstand. Das habt ihr davon, ich sagte doch, ich käme nicht vorwärts. Ein kurzer Blick nach hinten, jeder hat mich dann irgendwann überholt, obwohl ich noch immer die Hälfte nicht erreicht habe. Der Trainer erzählt schon wieder, also muss ich etwas substituieren. Wir sollen wieder zurückschwimmen, sinnloserweise werde ich wieder schnell aufgefordert. Hatte ich erwähnt, dass die hübsche Blonde, die nicht kraulen kann, minutenlang am anderen Ende auf den Rest warten musste? Dann muss ich sehen, dass ich doch im Irrtum war, am Rand kommt doch noch ein Nachzügler und berichtet, er wäre sogar rückwärts geschwommen.

Spätestens jetzt ist alles so wie damals in der Schule. Der Lehrer hört nicht zu, die hübsche Blonde kann nichts, aber hui, doch ne Eins, wie konnte das sein, ein Dummschwätzer, der unnötigerweise Sachen erzählt und dem Rest kaum Zeit für wichtige Fragen lässt, ein riesiger Haufen Gesichtsloser und einer, der gar nichts kann. Und mich, der nicht so recht mitkommt, es aber doch irgendwie ins Ziel schafft. Der Lehrer kümmert sich eigentlich lobenswerterweise um das Sorgenkind, geht aber nicht auf meinen Versuch der Kontaktaufnahme ein. Ich möchte auch mal etwas Aufmerksamkeit.

Irgendwann sagt er, meine Fußspannung wäre nicht vorhanden, auf der nächsten Bahn zeigt er sogar mal den Daumen nach oben, nun wäre es richtig. Leider hat es sich weder so angefühlt, noch war ich irgendwie schneller. Während einiger Bahnen bekomme ich mit, dass der große Rest sich so gut wie nicht an die Vorgaben des Trainers hält, sondern laufend Brustelemente einfliessen lässt. Kann man machen, aber was habe ich davon? Ich bin hier, um etwas zu lernen. Wenn ich, wie viele in der Schulzeit, mogeln würde, schaffe ich zwar die Bahn, aber mehr auch nicht. Unvergessen die Abende im Freundeskreis, wenn Trivial Pursuit oder später WWM gespielt wurde. Ich war der einzige in der Runde, der das Latinum nicht geschafft hatte, trotzdem aber der Einzige, der mit Vokabelkenntnissen einige Fragen beantworten konnte. per heißt halt durch und dann wird das wohl die Lösung sein. Und ich mag die anderen nicht, immer noch alles wie in der Schule.

Nach ca. 45 Minuten und vielleicht 6 oder 8 Bahnen ist dann die Kraft in Beinen und Füßen vollends weg. Auf der letzten Bahn enden die verzweifelten Versuche einer guten Fußhaltung mit beginnenden Krämpfen. Kraul strengt mich immer noch unheimlich an. Immerhin ertönt keine Schelle am Ende der Stunde. Vermutlich war es das mit dem Beinschlag, nächste Woche geht es dann um die Kombination.