Ich habe mich vor zwei Monaten nach langer Überlegung und vielen Vergleichen für die Polar V800 entschieden. Ich könnte jetzt nicht behaupten, daß ich von irgendetwas überzeugt worden bin, am Ende war es einfach eine Bauchentscheidung.

Hoffnung 1 hat sofort funktioniert: Mir macht die Uhr Spaß, ich finde sie hübsch und ich laufe wieder. Man kann das finden oder belächeln wie man will, aber ich bin ein oberflächlicher Mensch. Momentan mag ich meine Schuhe, meine Hose, mein Shirt, meine Jacke, meine Uhr und meine Laufstrecke. Das Gesamtpaket passt und ich fühle mich wohl. Perfekte Vorraussetzungen für einen tollen Frühling!

Meine Tour nach Grönland hat mich finanziell 2014 etwas in meinem Kaufverhalten “beschränkt”, daher habe ich erfolglos versucht, irgendwie an ein Testobjekt zu kommen. Ich hätte zu gern Aufzeichnungen von der Wanderung gehabt und die Eignung der Uhr für derlei Unternehmungen geprüft. Immerhin hatte ich so genügend Zeit, die Konkurrenzprodukte genauer unter die Lupe zu nehmen, aber dann kam auch noch die M400, die mir die Entscheidung noch schwerer gemacht hat.

Passt die V800 überhaupt zu mir und meinem Training? Die Uhr richtet sich ja eigentlich an den ambitionierten Sportler? Kann ich die Features überhaupt nutzen? Schlimmer noch: Bekomme ich falsche oder schlechte Ergebnisse/Auswertungen?

 

Die erste Tage

Schon kurz nach der Bestellung wird mir die Uhr ins Büro geliefert, Paket auf, Kabel raus, Kabel rein, Aufladen. Die Menüführung ist Englisch. Habe ich mir ein Importprodukt geholt, das kein Deutsch kann? Wieso kaufe ich auch in igendwelchen Shops auf amazon? Leichte Panik kommt auf. Es wird aber alles gut :) Im Webportal wird die Uhr eingerichtet und auch die Sprache kann gewählt werden. Ich lese mir also die kurze, beiliegende Anleitung durch und stehe direkt nach Feierabend in Laufkleidung vor der Tür. Roter Knopf, ok Laufen steht sofort da, da steht auch was von GPS, leider kann ich kaum etwas sehen, egal, nochmal roter Knopf und los. Nach 400m vibriert die Uhr an meinem Arm, warum? Keine Ahnung . weiter. Ich kenne die Strecke, passiere den ersten Kilometer, aber die Uhr schweigt. Ich hatte doch extra die Autorunde auf 1km eingestellt? Außerdem ist es dunkel, wie macht man noch Licht? Uhr zum Pulsgurt – nichts. Achso, Klopfen – NEEEIIIIIIIN – manuelle Runde gemacht! Das stand doch irgendwie anders in der Anleitung? Nach 17 Minuten das zweite Brummen. Automatische Runde, 1km geschafft. Wie bitte? 1km in 17 Minuten? Was sagt eigentlich mein Puls? Steht nicht da. Ich versuche, die Anzeige zu wechseln – Hurra, noch eine manuelle Runde!. Nach weiteren 3 Minuten bin ich auch schon wieder am Auto und der erste Lauf ist Geschichte. Was sagt die Anzeige – 2,37 Kilometer? Im Leben nicht! Immerhin klappt die Synchronisation mit der App sofort. Laut Karte hat der Lauf irgendwo nach 500 Metern begonnen, dann war das erste Brummen wohl das gefundene GPS-Signal. Jetzt steht auch mal endlich etwas von Puls da. Und ein Running Index. 35 NA JA. NA JA, was soll denn das? Meine Uhr beleidigt mich!

Der Sache musste ich nochmal bei. Mit etwas mehr Zeit lese ich mir die Beschreibungen und Anleitungen nochmals durch. Achso, fast die komplette Bedienung hängt von den verschiedenen Sportprofilen ab. Ich hatte mir zwar grob bei der Ersteinrichtung etwas zusammengestellt, dabei aber nicht jeden Unterpunkt beachetet. Irgendwie hätte ich gedacht, dass eine Uhr von Polar den Puls auch so anzeigt, aber Pustekuchen. Mann kann nicht nur alles konfigurieren, man muss es auch.

Beim nächsten Lauf warte ich dann auf das Brummen. GPS 0% und GPS OK sieht ohne Licht einfach zu ähnlich aus. Zufrieden registriere ich das Brummen nach einem Kilometer, aber wieso bleibt nach km 3 wieder aus? Bis heute ist mir nicht ganz klar, wieso es nicht bei jedem Kilometer funktioniert? Vielleicht, wenn zu dem Zeitpunkt kurzfristig kein GPS-Signal verfügbar ist? Ich probiere kurz die neuen Ansichten, aber so im Dunkeln ist das nicht der Bringer, außerdem habe ich während des Laufens auch genug mit mir zu tun. Die Uhr ist bei mir mehr Tracker als Guide. Lauf fertig, synchronisieren, Puls suchen und nicht finden. Running Index gibt es auch nicht? Doof. Beim ersten Lauf wurde der Puls doch auch aufgezeichnet? Ich schaue mir nochmals bei Licht daheim die Anzeigen an. Ok, wenn ich eine Einheit starte, muss ich erst warten bzw. schauen, daß Puls und GPS gefunden wurden. Ich hatte einfach die Kontakte des Pulsgurtes vor dem Lauf nicht befeuchtet. Bei meinem alten Gurt war das doch auch nicht möglich? Und wieso hat sich der Gurt dann nicht später verbunden, als genügend Humidität vorgelegen haben müsste? Hm, egal auf ins Webportal und meinen Fortschritt nach zwei Läufen anschauen. Watt? Training ohne Trainingsnutzen? Na gut, ich war nicht schnell, aber deshalb soll das nichts wert gewesen sein?

Menno, hätte ich mir mal die M400 gekauft! Mein erstes Training wurde gleich als Maximaltraining+ eingestuft, mit ganz tollem Trainingsnutzen, dabei bin ich hochpulsig über den Asphalt geschlurft. Mein Tempo war viel zu langsam, weil die Aufzeichnung zwar die volle Zeit, aber nur die “falsch” gemessene Entfernung eingerechnet hat.  Beim zweitem Lauf fehlte der Puls, nach dem dritten sollte ich mich ganze 4 Tage lang erholen, obwohl ich nur knapp 45 Minuten in Mindertempo über Feldwege gestolpert war. Immerhin betrug mein Running Index nun 36 und war MITTEL statt NA JA. Immerhin.

Die Funktionen des Activity Trackers kannte ich schon vom Loop, aber jetzt hatte ich auch endlich Trainingsanzeigen in der App. Ohne die Angaben groß zu beachten, finde ich sie aber doch sehr interessant. Ein normaler Arbeitstag mit abends Sofa hat ca. 40% Aktivität, mit einem Lauf werden es sofort fast 200, mit einem faulen Sonntag ca 10 ;)

Jetzt erstmal Weihnachten und 10 Tage Laufpause.

Das neue Jahr

Beim nächsten Lauf trete ich vor die Tür. Boah, ist das kalt, GPS 0%. Etwas dehnen, etwas strecken, KALT. GPS 10%, Häuserschlucht. Ein Hüpfen, ein Brummen. He, still stehen für bessere Suche sagt die Uhr. Hier war die Uhr auch noch nicht, die Suche dauert also etwas länger. Nach ca. einer Minute brummt es dann doch, also los. Endlich mal bei Tageslicht hat auch gleich seine Vorteile. Mittlerweile machen auf auch die Tasten was ich will und sie somit auch sollen. Ich hüpfe durch die verschiedenen Ansichten und überlege mir sinnvollere Anordnungen. Der Lauf läuft gut, ich mag die Strecke und die Distanz passt auch –> neue Hausstrecke, aber nächsten Tag gleich wieder. Also auf ins Portal, die Strecke als Favorit markieren und synchronisieren. Selbsterklärend ist anders, aber man findet recht gut Informationen, wenn man weiß, wonach man suchen muss und welche Funktionen es gibt.

Ich stehe also wieder vor der Tür und es ist kalt, GPS aber dank gleichem Startpunkt jetzt recht gefunden. Auf zu den Favoriten, Strecke gewählt und lo…. ne, ich soll noch nach rechts. Häh, ich bin doch gestern genau von hier los? Ich trippel also etwas rechts, aber nichts. Ach, irgendwann wird er die Strecke schon wiederfinden, denke ich mir noch. Tut sie aber nicht, Start nicht gefunden, Lauf verpasst. Ich laufe also zentimetergenau die gleiche Strecke, aber die Uhr weist weiterhin auf den Startpunkt. Nach drei Kilometern gebe ich auf und konzentriere mich endlich auf diesen Lauf. Vor dem Lauf habe ich nämlich selten Lust, mich um irgendwelchen Ferz zu kümmern und will nichts anderes als loslaufen. Nach dem Lauf habe ich dann meist vergessen, wonach ich vorher schauen wollte, und nach dem Lauf ist wieder vor dem Lauf. Meist bin ich auch in Zeitnot und muss Zeitabsprachen einhalten, weil ich trotz Puffer natürlich wieder später als geplant starten konnte. Nicht aber an diesem Tag, also versuche ich nach dem Lauf nochmals die gleiche Strecke zu laufen. Die Uhr zeigt wieder nach rechts. Ich versuche nun, mich zum Startpunkt zu bewegen, wo immer der auch sein mag. Pikanterweise liegt mein eigentlicher Startpunkt direkt neben der Karlsruher Puffstraße, die ich nun auf der Suche nach dem GPS-Signal betreten muss. Mitten in der Straße dreht sich dann der Zeiger aber wieder und zeigt direkt in den Häuserblock. Der Startort für meine Hausrunde liegt also an einem unerreichbaren Ort, vermutlich Resultat einer ungenauen GPS-Position bei der Aufzeichnung. Aufgrund des Herumsuchens bei der Wiederholung ist auch der zweite Lauf nicht Hausrundenfähig. Vielleicht probiere ich irgendwann nochmals etwas herum.

Nach etwas Training

Der Kalender füllt sich langsam mit Einträgen. Ohne dass ich etwas tun müsste, habe ich alle Informationen zur Verfügung. Sonst habe ich mir viele Daten im Kopf gemerkt, wollte sie aufschreiben, aber als ich es dann tat, fehlten viele Dinge wieder. Ich kann mir nun in der App oder im Portal verschiedene Ansicht anzeigen lassen und die Informationen verschieden interpretieren lassen. Ich habe zwar auch direkt nach dem Lauf Informationen aufgenommen und natürlich auch so eine Veränderung bemerkt, aber graphisch sieht es gleich ganz anders aus z.B. meine Puls. Bei den ersten Läufen ist mein Balken fast komplett rot, dann verschiebt sich der Anteil langsam. Ich habe momentan den Vorteil, dass ich immer gleich laufe und die Läufe auf Länge ausrichte, somit lassen sich die Läufe qualitativ vergleichen. Der rote Bereich ist bei den letzten Läufen fast komplett verschwunden, die vorgeschlagenen Erholungszeiten verringern sich. Der Durchschnittsgraph des Pulses bewegt sich nach unten, der der Geschwindigkeit aber gleichzeitig nach oben. Eine perfekte Kombination, und das schon nach nur knapp 3 Wochen regelmäßigen Laufens in Kombination mit etwas niederpulsigem Strampeln auf dem Hometrainer, für das es ein eigenes Sportprofil mit eigenen Ansichten auf der Uhr gibt. Hier reicht mir der Puls, die Zeit und der Pulsbereich. Ich hatte oben bereits den Running Index angesprochen, der sich irgendwie aus dem Puls und/oder der Geschwindigkeit oder der Strecke zu errechnen scheint. Gestartet mit 35 und 36, bewegte sich der Index über 39 auf mittlerweile 42. Statt NA JA oder MITTEL bedeutet 42 GUT. 42 mag zwar nur eine Zahl sein, die wasweissichwas aussagt, aber die Steigerung und die Einstufung motiviert mich derzeit und genau das war mein Ziel. Letztens las ich dann, dass alles mit eine 7 vorne toll sei…

Die ersten Erfolge sind natürlich nicht der Uhr zuzuschreiben, sehr wohl aber auch den mittlerweile wenigen Stöcken, die sie bzw. die Trainingsplanung mir zwischen die Beine schmeisst. Ich bin nach zwei Monaten also topzufrieden, als alter Hase weiß ich aber auch, dass diese Hochphase nach den Anfangserfolgen abflachen wird. Dann wird die Uhr sich neu beweisen müssen, wenn ich vergangenen “Erfolgen” oder Werten nachrennen muss. Damals, als mein Running Index noch 42 betrug…

Die Ausgangsfrage war ja, ob die V800 auch für den langsamen Läufer geeignet ist? Ist sie in meinem Fall. Nach den ersten Läufen war ich skeptisch, mittlerweile kann ich mit den Auswertungen etwas anfangen, die Ergebnisse und Empfehlungen sind schlüssiger und ich erhalte zusätzliche Motivation durch die sichtbaren Veränderungen in meinen Statistiken. Statt Maximaltraining+ und extrem sind meine Läufe mittlerweile als Tempotraining und fordernd eingestuft. Das stimmt natürlich immer noch nicht, aber es bewegt sich in die richtige Richtung. In der Jahresübersicht werden die Einträge dann natürlich irgendwann stören, aber bis dahin wird noch Zeit vergehen. Apropos stören – im Portal sind relativ sinnfreie Topwerte aufgeführt. Ich soll eine Geschwindigkeit von 02:52 gehabt haben? Haha! An dieser Stelle wäre der schnellste Kilometer oder zumindest eine Mindestlänge deutlich sinnvoller als ein zufälliger Messfehler. Ähnliches gilt für den Maximalpuls. Solange diese Resultate auf schlechtem Trainingsstand statt auf Leistung beruhen, stören sie mich etwas.

Man muss sich allerdings etwas Zeit für die Uhr, die App und die Portale nehmen, um genügend Nutzen daraus ziehen zu können und damit einige Funktionen nicht im Verborgenen bleiben. Irgendwann muss ich auch mal wieder die Tests durchführen, die im normalen Alltag für mich die Hölle sind. Erst entspannen, und dann minutenlang ruhig auf dem Bett liegen bleiben, ggf. aufstehen. Wann soll ich das nur tun? Schnell zur Arbeit, schnell zum Training, schnell heim, schnell zum Essen, nur noch aufs Sofa :)

Igendwann nach dem März geht es dann hoffentlich auch etwas in Richtung von Trainingsplänen, Intervalltrainings, Schwimmen und Radfahren. Es bleibt noch viel zu entdecken.