Präludium

22 Jahre nach unserer Stufenfahrt sollte Schottland wiederum das gemeinsame Reiseziel von meinem Kumpel Tobi und mir sein. Nach nur knapp 11 Jahren der Vorplanung, unterbrochen durch Nichtigkeiten wie Arbeit, Schwangerschaft der Frau, Hausbau oder Geldsorgen, saßen wir bei einem Kölner Griechen und arbeiteten die Reiseroute aus. Die Claims wurden schon früh abgesteckt, teils mussten harte Kompromisse geschlossen werden. Glücklicherweise hatten wir zu diesem Zeitpunkt beide die feste Absicht, daß die Tour jetzt nun klappen muss. Wegen Flugangst wurde die Fähre als Transportmittel gewählt (kostet Zeit und Geld). Mehrbettzimmer in Hosteln kamen nicht Frage (kostet Geld). Islay muss dabei sein (kostet Tag und Skye). Loch Ness muss dabei sein (gnarf). Glencoe darf nicht umfahren werden (kostet Weg). Nichttrinkabkommen mussten geschlossen werden (das ist MEINE Lieblingsdestille, DU fährst).

Morgens um 7:30 geht es dann für mich in Karlsruhe los. Zwecks Kostenersparnis nehme ich Mitfahrer mit. Eine Dame verspätet sich um 25 Minuten, ruft aber im 3 Minutentakt an und kündigt sich für in 2 Minuten an. Ein gebrochener Zeh soll der Grund sein, der später dann auch zu einer nervigen Suche des richtigen Absetzortes an der Kölnmesse führt. Der Stress wegen der paar Kröten. Währenddessen kommen schon panische Anrufe aus Dortmund. Plötzlich auch noch Stau. Rheinbrücke Leverkusen. Westhofener Kreuz. Spontaner Bahnhofswechsel, Auto leer, weiter.

Boxenstopp, Gepäckverladung und Kinderwinken in 3 Minuten. Weiter, auf zur deutsch-holländischen Grenze, etwas unter 4 Stunden für knapp 300km. Eigentlich genug, aber….

Erst nach der Grenze kommt etwas Gelassenheit auf und ein Halt an einer Tankstelle ermöglicht mir die erste Nahrungsaufnahme an diesem Tag (15:30 Uhr). Stilecht Mandelbutterkuchen und Vanillevla. Mir ist danach natürlich schlecht (wie immer, gehört dazu), dafür darf ich mich aber auch endlich nach ca. 600km nonstop Karlsruhe – Köln – Dortmund – kurz-vor-Amsterdam auch etwas auf dem Beifahrersitz ausruhen. In den Niederlanden läuft der Verkehr langsam und geruhsam, ist mir aber auch egal, ich bin im Zuckerkoma. Blöderweise findet sich auf dem Weg von der Autobahn zum Fährhafen nichts zum Einkaufen. Als uns klar ist, dass eine Hamburgerbude die einzige Essensaufnahmestelle ist, stehen wir auch schon unumkehrbar auf der Auffahrt zur Fähre.

Wir dürfen dann mit unserem Kleinwagen zu den LKWs. Nach werde ich noch mehrfach daran denken, wie mein Auto bei starkem Wellengang zermalmt wird. Mittlerweile hängt mir der Magen auf den Füßen, aber auf der Fähre öffnen alle Läden erst nach Verlassen des Hafens. Grr. Wir sind sehr früh dran und können uns schöne Plätze an der Fensterfront sichern. Abfahrt, die Türen öffnen sich. 5 Euro für ein Käse- oder Schinkensandwich ohne irgendwas? 15 Euro für Fish & Chips? Nö. Stinkig teilen wir uns eine Dose Erdnüsse und eine Tüte Crisps. Nach dem Tasting von zwei, drei Whiskys im Bordshop und dem Versuch, uns die Preise zu merken (hat nicht funktioniert…) wartet dann die Koje. Leider muss ich feststellen, dass ich auf Wasser leider nur das Nötigste schlafe. Nach knapp 3 Stunden ist die Nacht dann gegen halb 5 wieder zu Ende. Irgendwann sind wir dann auch in Newcastle.

Tag 1

Leider ist Ankunft nicht gleich Aufbruch. Eine Stunde hinter unserem Zeitplan lenke ich meine Karre dann auf die linke Spur. Jede Sorge, wie man linksgelenkt auf der „falschen“ Seite fährt, verflüchtigt sich sofort. Die Umstellung fällt viel leichter, wenn man an gewohnter Stelle sitzt und nicht auch noch mit komischen Händen schalten muss. Nach wenigen Meilen verlassen wir auch schon die Reiseroute um die Harry-Potter-Burg zu besuchen (Kinderphotoauftrag lässt grüßen). Immerhin geht es nun direkt an der Küste gen Norden. Die schottischen Gefilde erreichen wir, ohne dass uns ein Schild aufgefallen wäre. Schade. Die Karten in meinem eingebauten Navi sind von 2000irgendwas und teilweise überholt. Nach leichten Irrungen finden wir die Forth Road Bridge, die nun kostenfrei zu passieren ist (Anekdoteneinschub aus dem Jahr 2002: aus dem Augenwinkel sehen wir das Schild. 75!!! Wir sehen unser Budget dahinschwinden, die spinnen die Schotten, das ist doch nicht die Öresundbrücke! Drehen unmöglich. Am Ende sind es dann 75 Pence…) Der Tank leert sich, die Straßen auch, nächste Ausfahrt Cairngorms. Es ist unvorstellbar, wie lange man in Perth herumirren kann, ohne eine Tankstelle zu finden. Nach zahlreichen Umwegen finden wir dann eine und können die Fahrt fortsetzen. Frühstück gab es quasi nicht (ein Müsliriegel) und wir sind schon weit im Nachmittag. Ich bin nun schon seit fast 48 Stunden ohne in etwas hineingebissen zu haben. Ein Haltepunkt mit schöner Aussicht soll es sein. Der? Nein. Dieser? Nö. Irgendwann setzt sich Tobi dann durch. An der nächsten Möglichkeit halten, egal wo! Neben Müllcontainern und vertrockneten Büschen schmecken die scottish eggs besonders gut! Kurz nach Braemar weist das Navi nach links, die Karte will noch einige Meilen weiter. Sieht eng aus, ist da Asphalt? Oh, die Straßen kommen irgendwann wieder zusammen, also nichts wie rein. Eine ausgewachsene Single-Track-Road mit Sicht bis zur nächsten Kurve, hügelig und schlechter Bodenbelag. Ich habe Fahrspaß, Tobi stöhnt. Auch in Zukunft wähle ich jede Möglichkeit einer Abkürzung. Die letzte derer führt uns dann über einen Hügel von oben direkt in die Glenlivet Distillery. Unser B&B ist irgendwo in der Nähe und der Herr des Hauses wartet im letzten Tageslicht schon winkend auf dem Rasen. Ich möchte gar nicht wissen, seit wann schon. Einige Schilder machen auf einen 10k-Lauf aufmerksam, der hier am nächsten Tag stattfindet. In Erwartung gewohnt horrender Startgebühren und der Duschproblematik entscheide ich mich schweren Herzens gegen einen Spontanstart. Der Lauf wäre kostenlos gewesen… Die Betreiberin des B&B macht auch gleichzeitig Führungen bei The Glenlivet, perfekt. Ein Abendessen und ein paar Pints im nahegelegenen Pub runden dann den Abend ab. Irgendeinen Whisky habe ich auch, kann mir aber den Namen nicht merken.

Tag 2

Full Scottish Breakfast! Endlich richtiges Essen. Wir müssen recht zeitig aufbrechen, um vor dem Laufstart auf dem Parkplatz zu sein. Die Showräume der Distillery sind sehr neu und offen, nur Menschen sieht man kaum, die Technik lässt grüßen. Die Führung ist zwar kostenlos, trotzdem ist unser Führer motiviert und mitteilsam, wenn auch bei nicht so starker Stimme. Ist auch nicht so schlecht, so konnte man sich bei den „interessanten“ Teilen der Führung durch einen Schritt zur Seite ausklinken. Ich kann mir einfach den Prozess der Herstellung nicht merken, egal wie oft ich ihn höre. Hefe, Maische, Wash-Still, Vorlauf, Fass. Rühren, warten, brennen. Immerhin gibt es im Anschluss noch einen kostenlosen Schluck. Und die Möglichkeit, ausgesuchte Spezialitäten zu fairen Preisen zu trinken. Leider darf ich wegen meiner Fahrtüchtigkeit nicht, den 25yo hätte ich für 6 oder 8 Pfund gern probiert, aber Tobi passt auf und spielt den Verbotsengel. Viele Meter müssen wir nicht zurücklegen, das Ziel ist Drumnadrochit am Loch Ness. Wir passieren einige leider geschlossene Destillen, folgen der Scenic Route und besuchen noch die Black Isle Brewery bei Inverness, von der wir durch einen Flyer erfahren haben. Es lohnt sich ungemein, zusätzlich zu den Reiseführen noch die lokalen Angebote in Augenschein zu nehmen.

In Drumnadrochit wartet ein Wigwam auf uns. Klein, aber fein. Tobi will noch mit dem Boot fahren, also fahren wir nach Fort Augustus, stehen dort aber vor verschlossenen Türen. Die Booten fahren nur bei ausreichend Vorausbuchungen, die leider weder an diesem Abend, noch am nächsten Tag zu uns genehmen Zeiten, Preisen und Booten(kein Speedboat!) vorliegen. Wir trösten uns mit Fish & Chips. Tobi bleibt hart und öffnet seine eigens bei Glenlivet gekaufte, abgefüllte, etikettierte und beschriftete Flasche nicht, Ein Abend in Schottland ohne Whisky. Skandal!

Tag 3

Das Frühstück müssen wir uns Farmhaus abholen, können es aber in unserer Hütte verzehren. Im Anschluss werden Tiere geguckt und preisgekrönte Cattles bestaunt. Fort Augustus hat wie schon erwähnt keine Bootsfahrt für uns, dafür eine eindrucksvolle Schleusenanlage und leckeren Kaffee. Nach einer kurzen Stippvisite in der Ben Nevis Distillery, Photos vom Ben Nevis und einigen Metern im Glen Nevis gehen wir in Fort William auf Kuscheltierjagd. Standesgemäß dreckt das Wetter ein, als wir durch Glencoe zum Kings House Hotel fahren. Fortwährender Starkregen tötet dann auch alle meine Ambitionen, hier viele Meter zu machen, so lungern wir gemütlich in der Lobby und den zahlreichen Räumen des Hotels herum. Immer wieder zieht es uns nach draußen und zu diesem atemberaubenden Panorama. Fahrt da hin! Schlaft im Kings House Hotel! Bucht Zimmer 10,12 oder 14 mit direkter Aussicht auf den Buachaille Etive Mor (auswendig fehlerfrei geschrieben!). Abends gibt es dann endlich Haggis!

Tag 4

Auf nach Islay. Zuerst traumhaft durchs Glencoe mit Zwischenhalten, dann entlang der Küste. In Oban gibt Distillery, Eis zum Mittag und den Plan, den ortsansässigen, erst einmal geschafften Riesenburger auf dem Rückweg zu vernichten. Etwas plötzlich stehen wir dann am Fährhafen. Ich hatte romantisch an eine kleine Autofähre wie auf dem Rhein gedacht und werde durch den großen Brummer ziemlich überrascht. Ebenso von der Aussage, dass die heutige Fahrt sehr unsicher sei. Es weht auch wirklich eine steife Brise! Irgendwann kommt die beruhigende Aussage, dass die Überfahrt stattfindet. Ich hole mir an der Bar einen doppelten Whisky, als wir das offene Meer erreichen und Wellentäler durchtauchen. Nach zwei Minuten und verlorenem Boden wanke ich nach oben ans Deck. Schon beim Gedanken daran wird es mir wieder leicht schwindlig. Oben ist aber alles gut und ich lasse mir den Wind durch die Haare blasen. Jura, Islay! Endlich! Wir fahren sofort nach Port Ellen, da wir noch keine Unterkunft haben. Nach einigen Diskussionen (ich wollte ins B&B direkt neben Lagavulin) landen wir dann im ersten Haus am Platz mit Blick auf den Hafen (und mit WLan). Das Angebot an Essen reicht von teuer (Hotel) bis zu etwas gammlig (Inder). Leider mit nichts dazwischen, mehr gibt es nicht. Wir versorgen uns also mit Kram aus dem Supermarkt und veranstalten Picknick an der Hafenmauer. Wir fahren die Destillen ab und planen den Ablauf des nächsten Tages. Welche Führung zu welcher Zeit an welchem Ort?

Tag 5

Diesen Tag schreibe ich später noch separat. Kurzgefasst sind wir erst bei Ardbeg, gefolgt von Lagavulin und Laphroaig. Im Anschluss sitze ich 13 Drams später seelig lächelnd auf dem Beifahrersitz und wir schauen noch auf einer Inselrundfahrt bei Bruichladdich und Coal Isla rein. Fazit Islay: ohne Whisky kann ich keine unbedingte Reiseempfehlung aussprechen. Kann man hin, muß man aber nicht. Abends gibt es dann wieder Picknick. An diesem Tag hat sich mein Kofferraum ziemlich mit mannigfaltigen Flaschen, Gläsern und allerlei Merchandise gefüllt!

Tag 6

Die Fähre fährt ziemlich früh und ereignislos wieder gen Festland. Wir lassen den Burger in Oban aus Zeit-und-Vernunftsgründen aus, um noch möglichst viel Zeit in Edinburgh verbringen zu können. Glücklicherweise liegt Auchentoshan direkt an der Straße! 5 Minuten später und um zwei Flaschen reicher setzen wir unseren Weg fort. Unser Hostel finden wir in Edinburgh schnell und streunen über die Royal Mile und einige Whisky Shops. Nach Fajitas als Abendessen löschen wir unseren Durst mit einigen Drams in einem Whiskylokal mit exorbitanter Karte und ausgesuchten Köstlichkeiten zu einer Flasche würdigen Preisen. Angefixt notiere ich mir eine kleine Einkaufsliste für den nächsten Tag.

Tag 7

Gleich der erste Whiskyshop auf der Royal Mile hat den gewünschten Tropfen! So bleibt uns noch genügend Zeit, um nochmals zum Castle und einige Closes zu spazieren. Eine tolle Stadt, immer gerne wieder, auch gerne wieder länger! Wir fahren nach einem Großeinkauf in einem Supermarkt gemütlich zur Fähre, halten an einigen schönen Stellen und genießen die letzten Stunden  auf der Insel.

Tag 8

Amsterdam – Dortmund – Karlsruhe- uff.

Fazit

Tolle Reise mit einem ausgewogenem Verhältnis aus Alkohol und Aussichten. Die Anfahrt mit eigenem Auto kann ich empfehlen, wenn man ordentlich einkaufen will. Whisky ist auf der Insel zwar selten billiger und die Auswahl ist beim Händler fast immer größer und ausgesuchter, aber für mich hat eine in der Destillerie gekaufte Flasche einen besonderen Wert (durch die ausgelagerte Abfüllung aber eigentlich Quatsch).

P.S. Ich kann das Wort Dram oder Wee Dram nicht mehr hören…